Samstag, 29. Oktober 2016
Ein Mensch, gegrillt mit Zwiebeln und Tomaten.
Alle Welt redete von Facebook. Neugierig geworden hatte auch ich mich vor ein paar Jahren für kurze Zeit dort registriert und Fotos eingegeben Es meldete sich ein Ziehkind aus Afrika, Leonidas. Ein guter Freund natürlich nicht, denn der war tot, erschossen worden von einem gedungenen Mörder. Grund: Neid. Der Freund, Arzt, hatte einen für afrikanische Verhältnisse gut dotierten Posten bei Unicef bekommen, sein Kollege war leer ausgegangen.

Stolz hatte er uns drei Tage zuvor sein Büro und die neue Wohnung, eine in türkis gehaltene Hütte gezeigt. Ein Zimmer mit Kochgelegenheit, Tisch, Bett, Couch, Sessel, und, großer Luxus, einer Stereoanlage.

Halb scherzhaft, halb ernst, verabredeten wir uns für den kommenden Winter zum Skifahren in den Alpen.

Drei Tage später öffnete er seinem Mörder arglos die Tür. Er wurde aufgefordert sich auf's Bett zu legen, der Freund, der gerade zu Besuch war, unter's Bett. Dann wurde sein Körper von einer Kalaschnikoff zerfetzt.

Kurzes Ende eines langen Studiums.

Den gedungenen Mörder fand die Polizei in einem Nachbardorf. Der Auftraggeber war nach Kinshasa geflohen. Es half ihm nichts, er wurde gefaßt.

Auch meine anderen Freunde werde ich über Facebooks Suchmaschine nicht mehr finden. Sie wurden zerhackt.

Ihr Fehler: als floh wer konnte, blieben sie. Was sollten die Großen ihnen antun? Und warum ? dachten sie.

Die Mörder waren keine Nachbarn. Es waren Fremde, sie hatten Listen.

Als eine der Frauen sie kommen hörte, rannte sie in ein Zimmer, verschloss die Tür, versteckte sich unterm Bett und - überlebte.

Zuerst töteten sie den Mann. Er hatte die Situation falsch eingeschätzt, war verantwortlich für den sinnlosen Tod der Frauen. (Degeneriertes X-Chromosom. Siehe Beitrag 'Kopftuch und Burkini'.)

Sie gingen von Tür zur Tür - die verschlossene brachen sie nicht auf - holten die jungen Frauen heraus und verschwanden mit ihnen im Wald.

Die kleine, dynamische, intelligente Schuldirektorin, die zur Flucht gedrängt hatte und ihre drei Kolleginnen wurden nie mehr gesehen.

Dem Personal des Dispenaires, das die nahe Grenze nicht erreichen konnte, erging es ähnlich. Der Laborant und der Apotheker überlebten, die Hebammenhelferinnen nicht.

Zwei Weiße, die dort lebten, waren möglicherweise gewarnt worden, dass Mörder mit Listen kämen. Eines Tages waren sie verschwunden, zurück nach Belgien, ohne mich informiert zu haben.

Das waren nicht meine Freunde. Meine Freunde waren schwarz.

Eine Verantwortliche, sie gehörte einer ethnischen Gruppe an, die mit den Großen verwandt ist, hatte sich sehr unbeliebt gemacht. Wer operiert werden mußte, aber nicht zahlen konnte - das heißt, wenn die Familie für sie/ ihn weder Ziege noch Kuh zu opfern bereit war - hatte den Op Tisch zu verlassen.

Neutralität, unabdingbar in jener politisch heiklen Situation, fiel ihr schwer.

Sie wurde an einen fernen Ort versetzt. Dort wüteten die Kleinen. Sie versteckte sich auf einem Dachbalken, wurde gefunden, heruntergeholt ...
Mein Reisepass lag bei einem Verantwortlichen sicher im Safe, dachte ich. Als ich ausreisen wollte, sagte er - dem vorgeworfen wurde mit den Großen zu sympathisieren -, dass es im Safe gebrannt hätte.

Wie das ? Von ganz alleine ?

Noch heute bin ich sicher, dass er den Pass manipulieren ließ, um mit den nötigen pekuniären Mitteln jemandem das Leben zu retten. Ich bekam ein Dokument, in dem stand, dass mein Pass verloren gegangen sei, bestieg das Flugzeug nach Deutschland, um kurze Zeit später jenseits des Waldes im Nachbarland wieder aufzutauchen, jenem Wald, in dem auch der Halbbruder einer Mitarbeiterin sei Unwesen trieb. Man tat ihr nichts an, sie trug die Gene beider Ethnien in sich.

Der Verantwortliche selbst war während des großen Mordens - rein zufällig - in Europa.

Als ich zwei Jahre später in einheimischer Begleitung durch das Land fuhr wurde mir in einem Dorf eine Ecke hinter einem Haus gezeigt, dort hätte ein großes Rost gestanden auf dem ein Mensch gegrillt worden war, mit Zwiebeln und Tomaten garniert. Bevor er gar gewesen sei, wäre ein Verantwortlicher gekommen und hätte das Schmausen verboten. Er wurde beerdigt. Eine Frage geht mir nicht aus dem Kopf ... ?

Leonidas wollte Arzt werden, er war der Sohn des Schuldirektors. Dieser erhielt jeden Monat 1 € Lohn. So ist es wenn 1Mill. Euro Entwicklungshilfe für das Schulresort eingeplant wird. Der zuständige Minister bekommt 10% und so geht es die Hierarchie abwärts. Der Betrag, der den Letzten der Hierarchiekette erreicht ist rein symbolisch. Ohne Garten hätte die 8 köpfige Familie nicht überleben können. An ein Studium des ältesten Sohnes war schon gar nicht zu denken.

Ich finanzierte Leonidas ein Teil des Studiums, besuchte ihn, betrachtete die Abrechnungen, sah dass er unredlich war, stellte die Zahlungen ein. Belgier übernahmen die weitere Finanzierung, irgendwann stellten auch sie die Zahlungen ein.

Er entdeckte mich auf Facebook, schreib, dass er verheiratet und seit acht Jahren als Arzt in einem Dispensaire tätig sei. Die Fotos zeigen ihn in Gummistiefeln und Blaumann eher als Gärtner.

Mit Freunden in Deutschland telefonierte ich, mit denen im Ausland korrespondierte ich - via Mail oder Skype. Facebook wurde unnötig. Die Medien-Hysterie tat ihr übriges. Mit Hilfe eines Spezialisten löschte ich mein account definitiv.

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Liebe Rusalka,

Schreiben Sie über Rwanda? Oder denke ich das nur, weil es das Genozid so sehr erinnert?

Wie schrecklich wenn Menschen anderen dieses Leid antun... und dazu noch so sinnlos.

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Ungefähr 2 Jahre nach dem Genozid in Ruanda kam die Rache, Tutsis gemeinsam mit ihnen verwandten Stämmen, überquerten die Grenze bzw. lebten schon in der heutigen Republik Kongo. Es gab ein erneutes Morden, Ethnien gegen Ethnien. Evolution live.

Erhielt die Nachricht von Freunden, Hutus aus Ruanda, die, während des Genozids, über einen Korridor in die Rep. Kongo geflohen waren um sich nicht der Rache der Tutsis auszusetzen, denn die 'säuberten', aus Uganda kommend, nach dem Genozid Hügel für Hügel. Gott sei Dank, hatten sie zur Zeit des oben beschriebenen Mordens im Kongo, das Dispensaire bereits wieder verlassen und waren nach Ruanda zurückgekehrt. Auch nicht einfach, aber wenigstens am Leben.

Da ich mitverantwortlich für die Versetzung der Verantwortlichen war, weil ihr Leben durch die Einheimischen bedroht war, war das Trauma doppelt so hoch, als ich von ihrem Tod erfuhr.

Es dauerte 20 Jahre, bis ich es jetzt im Rahmen eines anderen Projektes niederschreiben konnte.

Eigentlich wollte ich etwas über Facebook schreiben, da schrieb sich der Text plötzlich wie von Geisterhand geführt. Gut so.

Es gibt ein ganz hervorragendes Buch, das auch verfilmt wurde. "Ein ganz gewöhnliche Mensch", von Paul Rusesabagina (0,87 cent /Amazon). Empfehle es zu lesen. Im gleichen Hotel hatte ich11/2 Jahre nach dem Genozid, ein sehr lustiges, gleichzeitig jedoch albtraumhaftes Erlebnis.

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Sehr interessant! Von der zweiten Genozidwelle aus Rache wusste ich gar nicht. Danke für die Buchempfehlung!

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Die Propagandamaschine, der als intelligenter geltenden Tutsis war gigantisch. Hilfsgelder flossen in Milliardenhöhe. Die Hilfsorganisationen dieser Welt rissen sich in diesem kleinen Land die heruntergekommenen Dispensaires wieder zu renovieren.
Was fehlte war weniger das Material sondern Medikamente und ausgebildetes Personal. Mir bliebt nichts weiter übrig als verhasste Hutu Gärtner in einem Schnellkurs für eine flächendeckende Impfkampagne anzulernen. Argwöhnisch beobachtet von einem ekelhaften Tutsi Bürgermeister. (Sie waren am Ende besser,achtsamer, als das ausgebildete Personal in anderen Regionen.)

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